Die Feste des Hofmeisters (Noroelle, Farodin, Emerelle)

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Steff
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Die Feste des Hofmeisters (Noroelle, Farodin, Emerelle)

Beitrag von Steff »

Noroelle weilte noch nicht lange bei Hofe. Sie kam sich fremd unter der großen Gesellschaft vor. Doch fortwährend lag ein verzaubertes Lächeln auf ihren Lippen. Das Fest war herrlich!

Der Winter rückte mit großen Schritten näher ans Herzland heran und Hofmeister Alvias versuchte, seine Feste wie die letzten warmen Strahlen der Herbstsonne unvergessen zu machen.

In den Gärten Elfenlichts lag das goldene Laub so dicht, dass es die marmornen Platten auf den Wegen ersetzte. Zwischen Eicheln und Kastanien hüpften Elstern umher und stahlen verirrte Brotkrumen des mittäglichen Banketts. Die Festtafeln waren abgeräumt. Die Musik der Harfen wurde fließender, als die Festgemeinde sich in Gespräche versunken mit ihren Weingläsern erhob, um durch den Park zu wandern.

Die Sonne stand noch hoch über der Burg, umgeben von schnellziehenden Wolken. Es war ein herrlich warmer Tag, dessen Herbstwind mit ihrem langen Haar spielte.

Noroelle stand nervös unter einem riesigen Eichbaum, dessen verfärbte Blätter im Wind tanzten. Es tat gut, ihn in ihrem Rücken zu wissen. Der Blick der jungen Magierin suchte immer wieder die Gestalt der Königin. Emerelle war umringt von Bittstellern, Bewunderern, Schmeichlern, Schelmen und ihren wenigen Vertrauten. Noroelle empfand den Gedanken, sich in ihrer unmittelbaren Nähe aufzuhalten, beinahe beängstigend. Emerelle wirkte erhaben zwischen selbst ihren hübschesten Maiden. Ihr schmaler Körper war in ein bernsteinfarbenes Gewand mit bestickten weiten Ärmeln und hohem Kragen gehüllt, das sich kaum von anderen Festgewändern unterschied. Und dennoch war sie unmissverständlich der Knoten im Netz des Geschehens.

Noroelle war jung. Ihre magischen Fähigkeiten waren aber bereits sehr fein ausgeprägt und fanden außerordentliche Beachtung in ihrer Heimat Alvemer. Man hatte sie an den Hof der Königin geschickt. Dabei war der Elfe bis zum heutigen Tage noch nicht klar, ob es Emerelle selbst gewesen war, die den Stein des Anstoßes zu dieser Chance in ihrem Leben zum Rollen gebracht hatte.

Ihre Mutter hatte ihr erklärt, was sie am Hofe der Königin zu erwarten hätte. Was ein solcher Vorhang des Prunks tatsächlich verbarg. All die zwielichtigen Ränkeschmiede, die hinterlistigen Tuscheleien und der Kampf um die Anerkennung – die Nähe zur Königin. Emerelle allein entschied, wer im Wirken der Weltgeschehnisse tatsächlich einen Einfluss besaß. Um ihre Gunst wurde gekämpft wie um das letzte Wasser vor dem Verdursten.

Die Magierin hatte sich die Warnungen zu Herzen genommen. Schnell war sie allerdings versucht gewesen, diese Bedenken in den Wind zu schlagen. Wenn sie wirklich ehrlich war, befand sie sich seit dem Moment, da Alvias sie an den Toren zu Elfenlicht empfangen hatte, in einer Art Rauschzustand. Kein Zweifel und keine Warnung vermochte dieses Hochgefühl zu trüben.

Seit ihrem ersten Abend an Elfenlicht hatte sie keinen Herzschlag lang etwas anderes gespürt als Ehrfurcht. Nicht etwa ängstliche Ehrfurcht, wie jene, welche sie bei ihren ersten zögerlichen Schritten beim Erforschen ihrer magischen Sinne verspürt hatte. Sondern ein tiefgreifendes Staunen, das Wurzeln schlug und drohte, sie nicht mehr freizugeben.

Aus der Ferne lächelte die Königin ihr zu. Ein einziges Mal bei ihrer Ankunft hatten sie ein kurzes Gespräch geführt. In ihrem Thronsaal der fallenden Wasser, unter den Augen des gesamten Hofstaats. Ihre Wangen wurden heiß, als sie an diesen Tag zurückdachte. Sie hatte gestottert und war so oft über ihre eigenen Gedanken gestolpert, dass dieses Gespräch kaum vergessen sein dürfte. Weder bei der Königin, noch bei all den Höflingen.

Noch immer war ihr Respekt vor Emerelle so groß, dass ihr der Mund trocken wurde, als sich der Tross um ihre zierliche Gestalt unmittelbar in die Richtung von Noroelle wandte.

Unwillkürlich wich sie eine Idee zurück. Alle Worte verließen ihre Zunge, ebenso wie ihr Verstand zu verschwimmen begann. Sie straffte ihre Schulten. Auf keinen Fall wollte sie sich erneut eine Blöße vor dem Hofstaat geben.

Ihre zitternden Hände verschränkte sie fest vor ihrem Körper, nachdem sie einen tiefen, anmutigen Knicks vollführt hatte. In den Augen der Königin war keine Wertung zu erkennen. Einzig etwas, das in Noroelles Hoffnung wie Wohlwollen aussehen könnte. Als die Herrscherin soweit an sie herangetreten war, dass Noroelle einen Gruß wagen wollte, trat unverhofft jemand zwischen sie.

Überrascht blickte sie in den Rücken eines Elfs. Langes Goldhaar tanzte über samtgrüne Stoffe im Sonnenlicht, als er sich vor der Herrscherin verbeugte. Noch war Emerelle so weit entfernt, dass sich Noroelle durch diese Störung nicht brüskiert fühlen konnte. Dennoch war ihr, als wäre ihr gerade vor den Kopf geschlagen worden. Sie hatte bereits festgestellt, dass einige der Elfen bei Hof eine gehörige Portion Anstand vermissen ließen. Dieser Elf schien zu jener Sorte Höfling zu gehören.

„Meine Herrin“, grüßte der Fremde. Seine Haltung war gerade, der Rücken stramm, fast ein wenig steif. Er wirkte sicher inmitten der kleinen Traube an Begleitern von Emerelle. Sein unvermitteltes Auftauchen schien dabei niemanden zu verwundern.

„Farodin, du bist endlich zurückgekehrt“, strahlte die Königin zur Erwiderung. Noroelle stand ein wenig zu abseits, um sie gut verstehen zu können, allerdings war es ein Leichtes, von ihren kirschfarbenen Lippen zu lesen. „Deine Reise war angenehm?“

„Sehr“, erwiderte der Elf. Merkwürdig, dachte Noroelle. Für die Tatsache, dass er es eben noch so dringlich befand, mit Emerelle zu sprechen, wirkte er nun nicht gerade redselig.

Kaum wahrnehmbar – wie das winzige Erschüttern des magischen Netzes, wenn ein Zauber gewebt wurde – so änderte sich der Ton in der Stimme Emerelles: „Ich freue mich, beizeiten deinen ausführlichen Bericht zu hören.“

Der Elf nickte: „Beizeiten.“

Noroelle war irritiert. Sie wurde das Gefühl nicht los, soeben dem sonderbarsten Gespräch gelauscht zu haben, welches es geben könnte. Dabei glaubte sie, den Namen Farodin schon einmal gehört zu haben. Leider hatte sie in den letzten Wochen so viele neue Albenkinder kennengelernt, dass sie dieses eine nicht zuordnen konnte.

Der Elf verneigte sich erneut vor der Königin und wandte sich ab. Seine Schritte waren leicht, kaum berührten seine Stiefel den Boden. Dieser Gang erinnerte sie an den edlen Lauf eines Rassepferds, welches so rasant über Felder und Wiesen rannte, dass es beinahe so wirkte, als würde es schweben. Eine Aura der Distanz schien ihn zu umgeben. Der Prunk der Festlichkeit fand offenbar nicht an ihn heran. Er war anders, als die anderen Höflinge.

Und unhöflich!

Doch versuchte sie, sich nichts anmerken zu lassen, als Emerelle schließlich vor sie trat: „Noroelle! Wie ich sehe, findest du Gefallen am Fest meines Hofmeisters.“

Ihr fiel es schwer, eine Antwort zu finden, die dem Glanz des heutigen Tags gerecht wurde. In ihrer Kehle befand sich ein Klos, der sie langsam vor Unwohlsein zu ersticken schien. So nickte sie nur, während ihr Blick beschämt das Unbestimmte suchte. Sie machte sich zur Närrin – erneut!

Eine Gestalt fiel ihr unweigerlich ins Auge und beinahe entglitten ihr die Gesichtszüge. Der blonde Elf, der gerade noch so brüsk zwischen Emerelle und sie getreten war, befand sich mittlerweile nahe den Banketttafeln und zog eine finstere Miene. Er schien sich hier ebenso fehl am Platze zu fühlen, wie sie selbst auch …

Ein Räuspern riss sie aus den Gedanken. Die Königin lächelte gutmütig, doch Noroelle fühlte eine unbändige Hitze in sich aufsteigen, als ihr bewusst wurde, dass sie diesen Farodin regelrecht angestarrt und darüber das Gespräch mit der Königin völlig vergessen hatte.

„Verzeih, Königin … ich …“, murmelte Noroelle und brachte sich damit nur weiter in Verlegenheit.

Die Königin ließ nicht von ihrem Frohsinn ab: „Mach dir nichts daraus, Noroelle. Es ist nicht das erste Mal, dass jemand mehr Gefallen an etwas auf Alvias‘ Festen findet, als ihm lieb ist.“

Noroelle stand der Mund offen. Sie wurde das Gefühl nicht los, dass Emerelle da etwas andeutete, das sich gänzlich ihrem Verständnis entzog. Gefallen an diesem wortkargen, distanzierten Höfling!?

In einer freundschaftlichen und völlig unerwarteten Geste hakte sich Emerelle bei ihr unter: „Komm, ich werde euch einander vorstellen“, lachte sie. „Wie aufregend!“

Noroelle fand das weniger aufregend als entsetzlich! Sie wollte nichts, als fliehen. Sie war keine Hofdame, die begabt oder gar begnadet darin war, mit den Herren des Adels zu kokettieren! Sie würde sich bis auf die Knochen blamieren …

Doch der Griff Emerelles war unerbittlich, als sie Noroelle vorbei an ihren Gesellschafterinnen durch den Park führte. Die junge Magierin fühlte sich schmerzlich an einen Rat ihrer Mutter erinnert, der da lautete: Zeige dich niemals unaufmerksam vor dem Angesicht der Königin; einen solchen Fehler begehst du nur ein einziges Mal!

Wie wahr diese Worte doch waren!

Und so fand sie sich wenige Momente später den grünen Augen des Elfen entgegen, den sie eigentlich hatte meiden wollen. Er schaute die beiden Damen verwundert an: „Meine Königin?“

„Farodin, darf ich dir Noroelle vorstellen?“, säuselte die Königin geradezu euphorisch. „Sie ist eine außergewöhnlich begabte Magierin aus Arkadien … oder war es nicht doch Alvemer? Einerlei. Ist sie nicht eine Schönheit, die Ihresgleichen sucht? Das schwarze Haar, die vollen Lippen … Wenn ich sie sehe, verfalle ich stets dem Glauben, eine lang vertraute Freundin stehe vor mir. Geht es dir nicht genauso?“

Noroelle fühlte, wie die Schamesröte bis in die Spitzen ihrer Ohren wanderte. Solche Lobesworte! Dabei hatte sie noch nichts Großes vollbracht, wofür sie solch eine Anerkennung verdiente. Verlegen schaute sie zu Farodin auf und bewunderte sein wohlgeformtes Gesicht, das ganz überrascht aussah, sie zu sehen. Deutlich war für Noroelle zu erkennen, dass etwas in ihm vorging, als Emerelle sprach. Doch die Zauberweberin konnte nicht ermessen, was dies war.

Da erschien ein zaghaftes Lächeln auf seinen Zügen, vom dem Noroelle nicht behaupten konnte, es würde sie kalt lassen. Sie konnte nicht anders, als es zu erwidern, als Emerelle fortführte: „Und dies ist Farodin. Er ist nicht halb so streng, wie er sich gibt.“

Noroelle räusperte sich: „Ich freue mich, deine Bekanntschaft zu machen …“

Da verbeugte sich Farodin galant vor ihr und nahm ihre Hand, um einen leichten Kuss darauf zu setzen. „Die Freude ist die Meine, Noroelle.“

Etwas, in der Art, wie der Höfling ihren Namen aussprach, sandte der Magierin einen Schauer den Rücken herunter. Es lag etwas Vorsichtiges darin, etwas beinahe Abschätzendes. Und zugleich klang es so warm wie die letzten Strahlen der Herbstsonne.

Emerelle entließ ihren Arm und schenkte ihr ein weiteres Lächeln, ehe sie sich abwandte: „Entschuldigt mich nun. Meine Damen wollen unterhalten werden.“

Noroelle hörte die Königin kaum. Denn in diesem Moment bot der Elf ihr den Arm dar und sagte: „Möchtest du mich auf einen Spaziergang begleiten? Ich glaubte, in den Obsthainen noch einige reife Maulbeeren gesehen zu haben.“

Freudenstrahlend griff Noroelle seinen Arm und ließ sich von Farodin durch die Festgemeinde führen. So geheimnisvoll er ihr eben noch erschienen war, so nahbar wirkte er nun. Vielleicht hatte sie am Hof durch ihn endlich Anschluss gefunden. In der Schätzung der Königin schien er jedenfalls sehr hoch zu stehen…

„Maulbeeren sind mir die Liebsten“, raunte Noroelle und erhielt ein wissendes Lächeln, das sie erneut nicht recht zuzuordnen vermochte. Doch dieses Mal war es ihr gleich. Denn sie erkannte, dieses Lächeln verleitete sie zu Träumen, die nichts mit den bloßen alltäglichen Fantasien gemein hatten. Sie waren wahrhaftig.
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Death of Fantasy

Re: Die Feste des Hofmeisters (Noroelle, Farodin, Emerelle)

Beitrag von Death of Fantasy »

Erneut eine schöne, neue Kurzgeschichte. Ich mochte besonders, wie du die Unsicherheit Noroelles dargestellt hast und ihr anfängliches Widerstreben gegenüber Farodin. Es ist alles sehr gut geworden und sprachlich hervorragend!
Steff
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Re: Die Feste des Hofmeisters (Noroelle, Farodin, Emerelle)

Beitrag von Steff »

Danke, Death of Fantasy, für das wundervolle Feedback! Es ist allem in allem liebevoller Nonsens ohne besonderen Tiefgang oder Schwere. Doch gerade deshalb war es so schön zu schreiben.
Ich freue mich jedenfalls, dass es dir gefällt! :)
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