Vaterglück (Jornowell, Alvias)

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Steff
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Vaterglück (Jornowell, Alvias)

Beitrag von Steff »

Hey zusammen! Nach dem Erscheinen von Elfenwelten hat mich der Charakter von Jornowell sehr gefangen genommen. Ich habe mir einige Gedanken zu ihm und dem Verhältnis zu seinem Vater gemacht und sie in der folgenden Kurzgeschichte niedergeschrieben. Ich hoffe sehr, sie gefällt euch, über Rückmeldung freue ich mich natürlich auch :)

Viel Spaß beim Lesen!

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"Ich habe es so satt, zu träumen!" Der blonde Elf hielt in seinem wirren Umhergehen inne und warf die Hände in einer Geste hoch, die seine ganze Umgebung umfasste. "Diese Mauern mögen der Traum hunderter Albenkinder sein, doch für mich sind sie ein Gefängnis."

Alvias verschränkte die Arme: "Mir kam es nie so vor, als würdest du in Elfenlicht wie in einem Kerker leben." Sein Sohn sah ihn schuldbewusst an, er wusste, worauf der Hofmeister anspielte. Er hatte sich in seinen jungen Jahren bereits einen Namen im Elfenpalast Emerelles gemacht - und dies nicht eben so, wie sich sein Vater es sich bei seiner Geburt vorgestellt hatte. Hunderte Streiche, etliche Vergehen gegen die Vorschriften von ihm und der Palastwachen, so wie unzählige Affären mit edlen Damen des Hofstaats.

"Ich musste mich von dieser Monotonie doch irgendwie ablenken! Jahrzehntelang habe ich aus den höchsten Türmen Albenmark vor meinen Füßen liegen sehen, den Geschichten all der Gesandten gelauscht, die aus den verborgendsten Winkeln dieser Welt oder den anderen stammen. Ich will diese Welten sehen, selbst auf den Pfaden gehen, auf dem all die fremden Völker wandeln, von denen ich gehört habe."

Jornowells Gestikulieren wurde wilder, leidenschaftlicher. Seine unterschiedlichen Augen glitzerten. Braun und Blau. Erde und Wasser. Seine Mutter hatte oft gesagt, dass ihr Sohn etwas Besonderes war. Er verspürte eine Verbundenheit mit der Existenz seiner Selbst und auch mit dem des Fremden wie kein anderes Albenkind, das Alvias kannte. Das Braun der Erde seines linken Auges zeigte diesen Bund mit der Welt, eine Art tieferes Verständnis, hatte ihm seine verstorbene Gemahlin einst erklärt. Das Blau des Wassers seines rechten Auges dagegen zeigte seine Rastlosigkeit; wie ein Fluss würde auch er niemals lange an einer Stelle verweilen und seinen Weg gegen alle Widerstände finden.
Mehr als je zuvor wünschte sich Alvias seine verstorbene Gemahlin an seine Seite. Er konnte Jornowell nicht ziehen lassen, auch wenn er sich redlich Mühe gab, seine Wünsche zu verstehen. Es waren gefährliche Zeiten und sein Sohn war trotz seiner Belesenheit und seines Scharfsinns dennoch unerfahren und bei Hofe aufgewachsen. Auch wenn er es gerne glauben mochte, er könnte der Gnadenlosigkeit der Natur nicht trotzen. Alvias hatte Angst um seinen einzigen Sohn. Wäre er nur ein wenig mehr wie seine Schwester ...

"Manche behaupten, diese Rastlosigkeit, die auch du empfindest, habe ein jähes Ende gefunden, als sich für sie der Segen der Familie eingestellt habe. Deine Schwester erwartet ihr zweites Kind und ist glücklicher denn je. Glaubst du nicht, dies wäre ..."

"Eine weitere Fessel, mit der du mich in die Konventionen deiner Welt zwingen willst?", Jornowell wandte sich ab und sah zum Fenster hinaus. Alvias war redegewandt, doch gegen die Sturköpfigkeit seines Sohnes war kein Kraut gewachsen. Der Hofmeister sah sich in der Kammer um, die sein Sohn als sein Gemach erklärte. Es waren die kleinsten Räumlichkeiten, die ein Elf in Elfenlicht bewohnte. Dieser Eindruck wurde noch bestärkt durch die etlichen Eichenregale, die die Wände verdeckten. Sie waren so über und über mit Büchern, Steinfiguren, winzigen Büsten, Schatullen und fremdartigen Plunder vollgestopft, dass sich Alvias sicher war, dass das Gewicht einer einzigen weiteren Feder das massive Holz zum Bersten bringen würde. Nicht zum ersten Mal fragte er sich, wo Jornowell all dieses Zeug aufgetrieben hatte ...

"Ich will nicht, dass dir ein Leid geschieht. Du weißt nicht, wie grausam diese Welt sein kann ..."
Jornowell fuhr herum: "Und du tust es? Du versauerst doch hier, dass einzige wovon du eine Ahnung hast, ist wie warm Emerelle ihr Badewasser gern möchte oder welche Weine zu welch unsinnigen Anlässen auch immer sie vorzieht. Dein Leben gehört ihr, also erzähl mir nichts vom Segen der Familie...das hat dich nie so sehr geschert wie die Reinlichkeit ihres Teeservices."
"Nun tust du mir Unrecht. Deine Schwester und du standen bei mir stets an erster Stelle." Nicht einmal Alvias selbst traute seinen Worten so recht über den Weg.

"Es ist mir gleich, ob du es verstehst. Es ist mir gleich, was diese Schafe von mir denken ... Mögen sie an ihrem Süßholzgeraspel ersticken. Ich habe den Hals voll davon, immer nur das tun zu müssen, was andere von mir verlangen, und für Dinge gescholten zu werden, die ich tun möchte. Ich werde mein Leben nicht als freiwilliger Gefangener dieses Gefängnisses fristen, mag es auch noch so schön anzusehen sein. Vielleicht werden mich die Gefahren in der Fremde zugrunde richten, doch wenn ich hierbleibe, wird dies ganz gewiss der Fall sein."

"Du wirst deine Meinung nicht ändern, habe ich recht?" Alvias hatte keine Wahl. In diesem Moment musste er einsehen, dass er Jornowell ziehen lassen musste, um ihn nicht zu verlieren. 'Er rinnt mir durch die Finger, wie trockene Erde. Ebenso wie Wasser lässt er sich nicht gefangen halten. Mögen diese Eigenschaften ihn schützen, vor allem vor sich selbst ...'

Jornowells Ton änderte sich von angriffslustig in einfühlend, erklärend: "Ich möchte die Küsten Albenmarks mit einem Segelschiff befahren, das geheime Reich Eleborns unter den Wogen sehen, den Vulkan Ishemons besteigen und die weiten Schwefelfelder mit seinen Geysiren durchqueren. Ich werde durch die Snaiwamark und Carandamon reisen, um zu sehen, wo unsere Vorfahren einst lebten, sowie die Wüsten des einstigen Bainne Tyr erforschen. Dort muss es noch Überreste der alten Zeit geben...Drachenknochen können nicht verwesen, heißt es doch. Dann möchte ich das Albenhaupt besteigen und durch dessen Wälder zur Waldbucht reisen, nach Langollion, um dort das Labyrinth der Rosen zu durchschreiten. Es gibt so viel in Albenmark, das ich sehen will: Die Mondberge, den Mika, zwischen dessen Armen sich die Küstenklippen liegen. In ihren Höhlen befinden sich Jahrtausende alte Stalagmiten aus Salzen und Kristalle ... "

Jornowells Blick lag in der Ferne, so wie es viel zu oft in den letzten Jahren vorgekommen war: "All die Wunder, die dort draußen auf mich warten, die Geheimnisse der fremden Völker... Nicht nur in Albenmark. Die Welt der Menschen ist uns zu großen Teilen noch so unbekannt. Ich möchte zu den ersten Albenkindern gehören, sie sie zur Gänze erkunden. Stell dir nur das Wissen vor, das in der Bibliothek von Iskendria vor sich hinvegetiert. Ich könnte es ergänzen und anderen Albenkindern die Möglichkeit geben, an meinen Reisen teilzuhaben."

Nun sah Jornowell seinem Vater in die Augen: "Welcher Preis könnte all das schon aufwiegen und meine Meinung ändern? Ich will nicht mehr träumen müssen!"

Alvias kämpfte um seine Fassung. Es war keine Wut, keine Entrüstung, die er spürte. Mittlerweile war es ihm selbst egal geworden, was der Hofstaat oder gar die Königin zu Jornowells Vorhaben sagen könnten. Hier ging es um sein Kind und er war dabei, es möglicherweise für immer zu verlieren. Egal wie er sich entschied, es würde dies zur Folge haben. Es war eine ungerechte Prüfung der Alben und auch von Jornowell, den er sein Leben lang ernährt hatte.
Was also sollte er tun? Wie konnte er gutheißen, dass sich seinen Sohn diesen Gefahren, bei denen schon andere, weitaus erfahrenere Elfen ums Leben gekommen waren?

"Ich werde dir nicht im Weg stehen." All seine Kraft lag in den Worten, zu mehr konnte er sich nicht überwinden. Dann machte er auf dem Absatz kehrt, riss forsch die Tür auf und ließ Jornowell zurück.
Alvias war ein stolzer Elf, viele würden behaupten er sei gar eitel, doch an diesem Tag schämte er sich nicht, als ihm die Tränen in den Augen standen. Es waren Tränen des Stolzes, musste er erkennen.

Egal, wie viele spitze oder abfällige Kommentare er sich bei Hofe über seinen Sohn von nun an anhören müsste, er würde sie mit Fassung anhören und entgegnen, wie beneidenswert Jornowell doch sei. Beneidenswert dafür, dass er den Mut aufbrachte, sich seinen Träumen zu stellen und sie nicht wie so viele andere in sich begrub.
Egal, wie lange Jornowell auf seinen Reisen unterwegs sein würde, wann und warum auch immer er nach Elfenlicht zurückkehren wollte, würde er hier ein Heim vorfinden. Das war das, was er als Vater für ihn tun konnte.
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Chrisantiss

Re: Vaterglück (Jornowell, Alvias)

Beitrag von Chrisantiss »

Sehr schön geschrieben, wie auch die anderen Geschichten. So fühlt man sich den Fguren noch ein bißchen näher. Du hast auch gut aufgepaßt. Ich glaube, nicht viele wissen, daß Alvias auch noch eine Tochter hat. Das wurde nur in einem einzigen Satz erwähnt, als er sie von Elfenlicht wegbrachte, weil die Yingiz kamen.
Seara

Re: Vaterglück (Jornowell, Alvias)

Beitrag von Seara »

Wow... danke! Hat mich echt berührt, deine Kurzgeschichte. Eigentlich haben mir alle sehr gut gefallen. Du schreibst so, dass man sich selbst total inbegriffen fühlt. Echt schön...
Steff
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Registriert: Do 16. Jul 2009, 14:05

Re: Vaterglück (Jornowell, Alvias)

Beitrag von Steff »

Danke, ihr beiden für eure lieben Kommentare :) Es freut mich sehr, dass es euch gefällt!

Liebe Grüße
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Magathi

Re: Vaterglück (Jornowell, Alvias)

Beitrag von Magathi »

Genau wie die anderen Kurgeschichten Klasse :) es gibt bei den Elfen soooo viele interessante Charaktäre zu denen man leider vieles nicht erfährt da sind solche Kurzgeschichten zu ihnen wirklich toll :D

Musste mir grade vorstellen wieviele Bücher BH wohl schreiben müsste um die Geschichten aller Charaktäre offenzulegen ^^ da hätten wir nich gut was zu lesen *g*
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